Die Geschichte der Familie Lahusen ist ein beeindruckendes Beispiel für den Aufstieg und Fall einer bedeutenden deutschen Unternehmerdynastie. Von einem kleinen Handelshaus in Bremen entwickelte sich das Familienunternehmen zu einem der größten Wollkonzerne Europas mit weltweiten Verbindungen. Die Geschichte der Lahusens spiegelt dabei exemplarisch die deutsche Industrialisierung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wider und prägte insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung Bremens und Delmenhorsts maßgeblich.
Die Anfänge einer Bremer Kaufmannsdynastie
Die Geschichte der Familie Lahusen beginnt mit Christoph Friedrich Lahusen (1781-1866), der sich nach seiner Ausbildung und verschiedenen Auslandsaufenthalten als Unternehmer in Bremen niederließ. Er gründete die Firma C. F. Lahusen und etablierte seinen Geschäftssitz in der „Aschenburg“ an der Schlachte. Die Familie legte großen Wert auf eine christliche Erziehung und pflegte enge Verbindungen zu anderen angesehenen Bremer Kaufmannsfamilien.
Vom Handel zur Industrie
Sein Sohn Martin Christian Leberecht Fürchtegott Lahusen (1820-1898) erweiterte das Familienunternehmen maßgeblich. Nach seiner kaufmännischen Ausbildung in Bremen und Braunschweig sowie einem längeren Aufenthalt in England, heiratete er 1846 Anna Gebecka Meier und trat in die väterliche Firma ein. Unter seiner Führung expandierte das Unternehmen in den Überseehandel, insbesondere nach Südamerika, wo er in Argentinien und Uruguay Ländereien für die Schafzucht erwarb.
Ein entscheidender Schritt war der Erwerb einer Wollkämmerei in Neudek, Böhmen, die den Grundstein für den industriellen Zweig des Unternehmens legte. 1884 folgte die Gründung der „Norddeutschen Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei“ (NW&K) in Delmenhorst, die die Stadt nachhaltig prägte und tausenden Menschen Arbeit bot.
Fabrikherrschaft
Johann Carl Lahusen (1858-1921), der Sohn von Christian, führte das Unternehmen zu seiner Blütezeit. Unter seiner Führung wuchs die Firma zu einem Konzern mit 10.000 Mitarbeitern heran, davon etwa 3.000 im Werk Delmenhorst. Er führte einen patriarchalischen Führungsstil und fühlte sich persönlich für das Wohl seiner Arbeiter verantwortlich.
Eine Stadt in der Stadt
Das Fabrikgelände in Delmenhorst entwickelte sich zu einer „Stadt in der Stadt“ mit umfangreichen Sozialeinrichtungen. Die Einrichtungen umfassten Wohnheime und Werkswohnungen, ein eigenes Krankenhaus, eine Badeanstalt, ein Erholungsheim und eine eigene Geistlichkeit. Seine Frau Armine Mathias (1867-1919), die aus einer englischen Pastorenfamilie stammte, prägte die sozialen Einrichtungen des Unternehmens maßgeblich mit.
Glanz und Niedergang
Die vierte Generation, vertreten durch Georg Carl Lahusen (1888-1973), übernahm 1920 die Geschäftsleitung. Unter seiner Führung expandierte das Unternehmen zunächst weiter auf 28.000 Mitarbeiter. Die Familie lebte in großem Luxus, symbolisiert durch den Bau von Hohehorst bei Bremen, einem Schloss mit 107 Zimmern.
Der Niedergang kam 1931, als Jahre der finanziellen Verluste und Bilanzverschleierungen zum Zusammenbruch des Nordwolle-Konzerns führten. Georg Carl Lahusen und seine Brüder Heinz und Friedel wurden verhaftet und 1933 zu Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt. Dies beendete den Einfluss der Familie Lahusen auf die Geschicke der Nordwolle.
Argentinien
Die Verbindung der Familie nach Argentinien, die Christian Lahusen 1853 begründet hatte, wurde von späteren Generationen fortgeführt. Die Firma Lahusen y Cia Ltda entwickelte sich zum größten Wollexporthaus des Landes. Johannes Christian Lahusen, der 1892 geborene Sohn Carl Lahusens, übernahm 1939 die Leitung des argentinischen Zweigs und wurde zu einer wichtigen Figur in der deutsch-argentinischen Geschäftswelt, unter anderem als Begründer der Deutschen Handelskammer in Buenos Aires.